Glücksspiel-Horror in Italien
Posted on: 04/02/2019, 04:17h.
Last updated on: 04/02/2019, 04:17h.
Am Wochenende berichteten verschiedene italienische Zeitungen über die jüngsten Vergehen und Verbrechen im Zusammenhang mit Glücksspielaktivit?ten. Von verletzter Aufsichtspflicht über schweren Diebstahl bis hin zum versuchten Mord, Italiens Spielsüchtige schockieren derzeit die gesamte Nation.
Versuchter Mord mit anschlie?endem Selbstmord
Spielsucht ist in Italien ein gro?es Problem. Drei hochaktuelle F?lle aus Nord-, Mittel- und Süditalien veranschaulichen, zu welchen Taten Menschen aufgrund von unbehandelter Spielsucht motiviert werden k?nnen.
Die tragischste Geschichte spielte sich am 28. Januar im süditalienischen Ostuni, einer Stadt in der N?he von Brindisi, ab. Der 75-j?hrige Salvatore Natola schoss mit einem Jagdgew?hr auf seine Ex-Frau Maria Franca Colucci (57).
Die Kugel traf sie an der Kehle und sollte ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben nehmen. Anschlie?end t?tete er sich selbst durch einen Schuss in den Mund. Die Frau überlebte, musste jedoch unmittelbar notoperiert werden. Mittlerweise sei sie au?er Lebensgefahr.
Berichten zufolge sei die Polizei noch immer nicht im Klaren über die genauen Tatmotive. Bekannt ist, dass die Frau sich zwei Monate zuvor von Natola getrennt hatte. Diese Trennung habe er wohl nie akzeptiert, was zun?chst auf Rache schlie?en lie?e.
Die Selbstmordrate von Spielsüchtigen wird international sehr hoch gesch?tzt und man liest vermehrt pers?nliche Geschichten von Familien, die einen Angeh?rigen auf diese Art verloren haben. Für Italien liegen in der Tat kaum Daten vor, denn allzu oft bleibt die Krankheit undiagnostiziert.
Orientiert man sich beispielsweise an Gro?britannien, liegt die Sch?tzung bei zwischen 250 und 650 durch Spielsucht bedingten Selbstmorden pro Jahr. Für Deutschland liegen ebenfalls keine Zahlen vor, doch findet man im Internet zahlreiche schockierende Gest?ndnisse von Betroffenen, die über Selbstmord nachdenken oder diesen versucht haben.
Eine neue F?hrte jedoch führte die Polizei auf den Pfad der Spielsucht, von der der 75-j?hrige seit langem betroffen gewesen sei. Wie die italienischen Medien berichteten, habe er regelm??ig gro?e Geldsummen beim Glücksspiel verspielt. Auch sei seine Spielsucht h?chstwahrscheinlich der endgültige Trennungsgrund gewesen.
Ohne Zweifel jedoch muss der Mann, um eine derartige Tat und anschlie?end Selbstmord zu begehen, schwerwiegende Probleme gehabt haben. Welcher Anteil davon wirklich der Spielsucht geschuldet war, versucht die Polizei aktuell noch herauszufinden.
Mann stielt und verzockt 250.000 € von Behinderten
Am Sonntag hingegen berichtete eine Florentiner Zeitung, dass ein 37-j?hriger Mann über einen Zeitraum von zwei Jahren insgesamt 250.000 Euro gestohlen habe, um seine Glücksspielsucht zu finanzieren.
Der gebürtige R?mer arbeitete in einer Einrichtung für geistig Behinderte in Castello, einem Stadtteil der toskanischen Hauptstadt Florenz. Der Mann, der Zugriff auf die Bank- und Kreditkarten der Bewohner hatte, habe die hohe Geldsumme auf diesem Wege von zehn verschiedenen Personen gestohlen, ohne dass diese es bemerkt haben.
Erst nach zwei Jahren wurde ein in der Einrichtung arbeitender Priester auf die vielen Geldabhebungen aufmerksam. Der T?ter konnte dann unmittelbar identifiziert werden.
Dem Mann drohen jetzt zwei Jahre Freiheitsstrafe sowie eine Entsch?digungszahlung von 100.000 Euro. Die ?rtliche Gesundheitsbeh?rde für pathologische Suchterkrankungen (SerT) habe indes eine offizielle Bescheinigung ausgestellt, dass er an schwerer Spielsucht erkrankt sei.
Die Stadt Florenz hat das Problem der Spielsucht schon lange erkannt. Erst im Januar konnte sich die dortige Politik durchsetzen und neue Einschr?nkungen in Bezug auf Spielautomaten einführen.
So müssen seit Kurzem alle Spielotheken ab sp?testens 18 Uhr schlie?en. Für Spielautomaten in Gastst?tten, Restaurants und andere ?ffentlich zug?nglichen Orte hingegen gilt, dass die Ger?te zwischen 13 und 19 Uhr ausgeschaltet werden müssen.
Der Bürgermeister ?u?erte sich wie folgt dazu:
Spielsucht ist ein komplexes und schwer zu l?sendes Problem, aber wir k?nnen nicht einfach wegschauen, als g?be es sie nicht. Deswegen haben wir beschlossen, zus?tzlich zu den existierenden Pr?ventions- und Therapiema?nahmen den Zugang zu Spielautomaten zeitlich zu begrenzen, denn verbieten k?nnen wir die Ger?te nicht.
Kleinkind im Auto gelassen – Mutter geht zocken
Viele Zeitungen berichteten am Wochenende mit besonders gro?er Emp?rung über einen Fall, bei dem ein Kleinkind mit im Spiel war. Die Geschichte ging glücklicherweise gut aus, zumindest vorerst, doch der Vorfall ist besorgniserregend.
In der Trentiner Stadt Rovereto hatte eine 30-j?hrige Frau Ende Januar ihr erst 16-Monate altes Kind auf dem Parkplatz des Millennium Center Einkaufszentrums in ihrem Auto gelassen.
In dem gro?en Geb?ude befindet sich neben Mode- und Elektronikgesch?ften unter anderem auch eine Spielothek mit einigen Slot Machines. Wie die aktuellsten Nachforschungen offenbaren, soll die Frau sich dort mindestens zwanzig Minuten aufgehalten haben. Ob sie tats?chlich an den Spielautomaten gespielt hat oder die Spielst?tte aus anderen Gründen aufsuchte, ist noch nicht best?tigt.
Das kleine M?dchen sei indes von Passanten entdeckt worden, die das Auto eine Weile beobachteten. Wie die Zeitungen berichteten, seien die Fenster einen Spalt offen, die Türen unverschlossen und der Motor an gewesen.
Die besorgten Anwesenden h?tten daher Polizeibeamte zu Hilfe geholt. Die Polizei habe sich zun?chst das Nummernschild notiert, um die Fahrzeughalter ausfindig machen zu k?nnen.
Die Mutter des Kindes sei schlie?lich zu ihrem Auto zurückgekehrt, habe den Beamten keine Beachtung geschenkt und sei unverzüglich davongefahren. Gegen die Frau, deren Identit?t noch vor Ort festgestellt werden konnte, wurde nun Anzeige wegen Verletzung der Aufsichtspflicht erstattet.
Allarmierende Zahlen der Spielsucht in Italien
Erst Mitte Oktober letzten Jahres hatte das italienische nationale Gesundheitsinstitut (Istituto Superiore di Sanità, ISS) eine aktuelle Studie über das Spielverhalten der Italiener ver?ffentlicht.
Laut den Ergebnissen der Studie n?hmen gut 18 Mio. Erwachsene jedes Jahr an einer Form des Glücksspiels teil. Hinzuk?men gut 700.000 Minderj?hrige Gelegenheitszocker zwischen 14 und 17 Jahren.
Insgesamt pr?sentierten 1 ? Millionen Erwachsene ein problematisches Spielverhalten. Eine ebenso gro?e Anzahl geh?re in die Risikogruppe, problematisches Spielverhalten zu entwickeln.
Italien versucht derzeit vor allem auf Basis von Verboten und Einschr?nkungen gegen die hohen Spielsuchtzahlen vorzugehen. Bisher mit m??igem Erfolg. Und auch, wenn es Einrichtungen zur Spielsuchtbehandlung gibt, kommt es leider immer wieder zu tragischen Vorkommnissen.
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